Verhaltensbedingte Kündigung

Verstößt der Arbeitnehmer in derart garvierender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen, dass es dem Arbeitgeber nicht weiter zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, ist der Arbeitgeber zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigt. Die Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung sind:

  1. Der Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten

  2. Die persönliche Vorwerfbarkeit

  3. Vorherige Abmahnung

  4. Eine Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers

1. Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten

Eine verhaltensbedingte Kündigung kann nur auf eine wesentliche Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen des Arbeitnehmers gestützt werden.

Dem Grunde nach kommen als entsprechende Verstöße beispielsweise in Betracht:

  • Straftaten

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Straftaten zulasten des Arbeitgebers, eines Kunden oder eines Kollegen erfolgen, solange die Straftaten in einem Zusammenhang zur Arbeit stehen (beispielsweise Diebstahl von Firmeneigentum, Beleidigungen, Sexualstraftaten, Arbeitszeitbetrug etc.).

  • Unberechtigte Arbeitsverweigerung

  • Unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit

  • Fortlaufende Verspätungen

  • Bewusste Minderleistungen

  • Tätigkeiten für Konkurrenzunternehmen

  • Verletzung von Dienst- und Firmengeheimnissen

  • Verstöße gegen die betriebliche Ordnung

  • Private Nutzung von Betriebsmitteln wie Telefon, Internet etc.

  • Alkohol- oder Drogenkonsum

  • Whistleblowing

Ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers in seiner privaten Lebensphäre, welches also insbesondere nicht in Ausübung der beruflichen Tätigkeit erfolgt, kann nur in Ausnahmefällen zum Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung dienen. Ein derartiges Fehlverhalten kann nur dann eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn durch das private Verhalten auch das Arbeitsverhältnis berührt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn im Außendienst stehende Arbeitnehmer im Internet zu Straftaten aufrufen (Imageschädigung des Unternehmens), nicht hingegen, wenn beispielsweise der Arbeitnehmer ein Bußgeld wegen zu schnellen Fahrens erhält.

2. Persönliche Vorwerfbarkeit

Der Arbeitsvertragverstoß des Arbeitnehmers muss darüber hinaus persönlich vorwerfbar sein, was regelmäßig vermutet wird, durch den Arbeitnehmer allerdings entkräftet und sein Verhalten als entschuldigt erwiesen werden kann. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nicht zur Arbeit erscheint, weil der Zugang zur Betriebsstätte durch eine Streikmaßnahme blockiert wurde oder er aufgrund einer Erkrankung nicht zur Arbeit kommen kann. Problematischer sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer glaubt, er sei zu einem Verstoß gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen berechtigt, dies jedoch tatsächlich nicht ist. Wer beispielsweise glaubt, aus politischen oder religiösen Gründen seinen Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht nachkommen zu müssen (der vegane Kellner weigert sich, dem Gast ein Schnitzel zu servieren) mag aus seiner Sicht zwar nicht schuldhaft handeln, riskiert allerdings, dass sein Fehlverhalten von der Rechtsprechung als unentschuldigt angesehen wird.

3. Vorherige Abmahnung

Im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung ist vor Ausspruch der Kündigung regelmäßig eine vorherige Abmahnung erforderlich, um dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass er ein Fehlverhalten begangen hat, welches für künftige Fälle nicht durch den Arbeitgeber akzeptiert wird. In besonders schwerwiegenden Fällen wird man ausnahmsweise auf eine vorherige Abmahnung verzichten können. Dies sind regelmäßig Fälle, in denen dem Grunde nach bereits eine außerordentliche Kündigung berechtigt ist, also Situationen, in denen jeder verständige Arbeitnehmer wissen musste, dass der Arbeitgeber ein solches Fehlverhalten nicht duldet.

Nähere Einzelheiten zur Abmahnung finden Sie hier.

4. Interessenabwägung

Die verhaltensbedingte Kündigung ist nur dann wirksam, wenn eine Abwägung der wechselseitigen Interessen – auf Arbeitnehmerseite die Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes und Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, auf Arbeitgeberseite regelmäßig die ordnungsgemäße Weiterführung des Unternehmens ohne Beeinträchtigungen – zugunsten des Arbeitgebers ausgeht. Im Rahmen der Interessenabwägung sind sämtliche wechselseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu berücksichtigen. Auf Arbeitnehmerseite sind dies beispielsweise:

  • Eine lange Betriebszugehörigkeit

  • Die lange Zeit beanstandungsfreie Arbeitsleistung

  • Unterhaltsverpflichtungen

  • Eine eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit aufgrund einer Schwerbehinderung

  • Der Ausschluss, dass das Fehlverhalten künftig nochmals vorkommt (fehlende Wiederholungsgefahr)

  • Die Schwere des Pflichtenverstoßes

Auf Arbeitgeberseite kann im Rahmen der Interessenabwägung beispielsweise berücksichtigt werden:

  • Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Pflichtenverstoßes

  • Wiederholte Pflichtenverstöße des Arbeitnehmers

  • Innerbetriebliche Auswirkungen der Pflichtverletzung, auch im Hinblick auf die Signalwirkung bezüglich Kollegen

  • Fehlende andere Möglichkeiten, den Pflichtenverstoß künftig auszuschließen wie beispielsweise eine innerbetriebliche Ver- oder Umsetzung.

Sozialrechtliche Auswirkungen

Ist eine verhaltensbedingte Kündigung wirksam, steht damit gleichzeitig fest, dass der Arbeitnehmer schuldhaft sein Arbeitsverhältnis verloren hat. Die Bundesagentur für Arbeit ist daher berechtigt, eine Sperrzeit von drei Monaten hinsichtlich des Arbeitslosengeldes zu erteilen. Alleine aus diesem Hintergrund kann es sich aus Arbeitnehmersicht oftmals bereits empfehlen, zur Vermeidung von sozialversicherungsrechtlichen Folgen gegen eine verhaltensbedingte Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben.

Fazit

Die Rechtsprechung zu verhaltensbedingten Kündigungen ist äußerst umfangreich und vielschichtig. Wie das Bundesarbeitsgericht bereits seit langem ausführt, kommt es bei der Prüfung der Frage, ob eine verhaltensbedingte Kündigung wirksam ist oder nicht, jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.

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Kanzlei Bierganz